Die «Bedrohungsmanager» übernehmen

    Wie sind die Schulen, Ämter und Institutionen der Region gewappnet?

    Das Bedrohungsmanagement wird im Kanton Baselland explizit im Gesetz verankert. Damit sollen Vorzeichen von Amokläufen, Gewaltexzessen oder prinzipiell für die Bevölkerung gefährliche Situationen besser erkannt werden. Was aber bedeutet das genau und wie ist die Lage in den Kantonen der Region Nordwestschweiz?

    (Bild: Fotolia) Das Aufziehen und Etablieren eines funktionierenden Bedrohungsmanagements hat nicht nur mit polizeilichen Massnahmen zu tun, sondern ist sehr komplex und aufwändig.

    Der Trend ist eindeutig: Schweizweit wird die Sicherheit erhöht. Als erster Kanton in der Schweiz hatte Solothurn im 2013 unter Leitung der Polizei Kanton Solothurn ein Bedrohungsmanagement aufgebaut und eingeführt. Ziel war und ist nach wie vor, in erster Linie vor allem  schwere, zielgerichtete Gewalttaten zu verhindern. Das ämter- und institutionsübergreifende Kantonale Bedrohungsmanagement (KBM) soll – so heisst es – das Gefährdungspotenzial bei einzelnen Personen oder Gruppen frühzeitig erkennen, dieses einschätzen und schliesslich mit geeigneten Massnahmen entschärfen.

    Anlaufstelle und Bindeglied
    In allen Kantonen, die ein Bedrohungsmanagement betreiben stehen die Mitarbeitenden der Fachstelle KBM (oft sind dies die «Bedrohungsmanager/innen») der Polizei, Ämtern, Behörden, Schulen sowie anderen Institutionen für Fragen und Anliegen zur Verfügung. Sie führen mit einem interdisziplinären Team von Fachspezialisten Risikoeinschätzungen durch und leiten gegebenenfalls weitere Massnahmen ein. Diese Fachleute  sind bei entsprechenden Vorkommnissen die erste Anlaufstelle für ihre Mitarbeitenden und bilden das Bindeglied zwischen dem Amt/Behörde/Institution und der Fachstelle KBM.

    Schulen rüsten proaktiv auf
    Auch an Schulen wird diesbezüglich aufgerüstet und ein Bedrohungsmanagement installiert. Da ist Basel-Stadt einer der Pionierkantone und hatte schnell erfasst, wie die neuen Sicherheitsbedürfnisse an Schulen erhöht werden können. Bereits 2013 hat der Kanton ein dreistufiges Alarmsystem eingeführt. Für rund fünf Millionen Franken wurden die Schulen sukzessive aufgerüstet. Besonders nach den Vorkommnissen an US-Schulen, die sich damals immer mehr häuften und einigen weniger oder mehr ernst zu nehmenden Drohbriefen oder Vorkommnissen an Basler Schulen wurden bei Umbauten oder Renovationen in Schulhäusern solche Anlagen eingebaut. Der Clou am Ganzen ist: Bei diesen Anlagen kann der Alarm an sogenannten Auslösestationen im und um die Schulgebäude ausgelöst werden. Bei den Alarmtönen werden die Tonfolgen «Abwarten»,  «Räumen» und «Bedrohung» abgespielt. Alle unterscheiden sich deutlich vom Pausenzeichen. Auch Bedrohungssituations-Verhaltensweisen werden in Übungen durchgespielt und mit der Kantonspolizei Schulungen zu Verhaltensregeln zum Thema «Bedrohungsmanagement» abgehalten. Ein Beispiel zeigt, wie wichtig diese Schulungen sind: Bei einem Feueralarm beispielsweise lernen die Schülerinnen und Schüler geordnet das Gebäude zu verlassen. Dies jedoch würde im  Falle eines Amoklaufs den Übeltäterinnen und Übeltätern in die Hand spielen. In diesem Falle muss man sich in ein sicheres Zimmer zurückzuziehen und einzusperren. In der Stadt Bern indes wurde ein Amok-Alarmierungs-Systems abgeschlossen. Rund 1500 Schulzimmer verfügen über ein Alarmgerät. Parallel zum standardisierten Alarmsystem werden die Lehrpersonen daher mit einer Sprach- oder Textnachricht über die Art der Gefahr informiert.

    Baselland holt auf…
    Im Nachbarkanton Baselland gab es diesbezüglich bis vor einiger Zeit noch Sicherheitslücken. Von den 21 Sekundarschulanlagen, die der Kanton vor sechs Jahren von den Gemeinden übernommen hat, sei erst ein Teil auf dem neusten Stand, wurde unlängst kommuniziert. Die Schulanlagen seien sehr unterschiedlich ausgestattet. Es sei aber erklärtes Ziel, alle Schulanlagen mit «zweckdienlichen technischen Ausrüstungen» auszustatten. Dies geschehe meist im Rahmen von Neubauten oder Sanierungen. Im Gymnasium Liestal wurden zum Beispiel zahlreiche bauliche Mängel entdeckt wie nicht funktionsfähige Lautsprecher, verklemmte Türen und diverse Nadelöhr-Situationen an Notausgängen. Die Mängel wurden im Zuge der Sanierung behoben. So soll Schritt für Schritt eine Schule nach der anderen auf die Sicherheitsbedürfnisse getrimmt werden.

    Heikle Gesetzesänderung zu Gunsten eines kantonalen Bedrohungsmanagements
    In anderen Belangen sind die Baselbieter im Bereich der Sicherheitspolitik auf Augenhöhe mit dem Stadtkanton: Im Kantonsparlament wurde mit 79 zu null Stimmen bei drei Enthaltungen der Weg zu einer Gesetzesänderung ohne Urnenabstimmung (dank der nötigen Vierfünftel-Mehrheit) zu Gunsten einer gesetzlichen Verankerung eines kantonalen Bedrohungsmanagements frei gemacht. Eine solche Gesetzesänderung ist eine heikle Angelegenheit, weil sensibel und mit notwendigen Eingriffen in die Grundrechte der drohenden Personen verbunden. Zu diesen Eingriffen können  polizeiliche Massnahmen, verwaltungs-, straf- oder zivilrechtliche Verfahren oder eine Langzeitbeobachtung gehören. Die Sensibilität von Personendaten spielt hier natürlich eine wichtige Rolle und ist immer wieder Thema für Polemik. Und nicht nur das Polizeigesetz erfährt hierbei eine Änderung, sondern auch das Gesundheitsgesetz sowie das Einführungsgesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung. Gelockert wird auch die Schweigepflicht von Ärzten und Psychologen sowie medizinischen Hilfspersonen gegenüber den Behörden des Bedrohungsmanagements. Ein Sonderfall ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) die von der Schweigepflicht-Lockerung ausgenommen wurde, da weitere Abklärungen zum Patientenrecht nötig seien. Wichtig aber ist: Die Grundsätze des Informations- und Datenschutzgesetzes gelten wie bisher genau gleich.

    JoW, div. Quellen.


    Das Aufgabengebiet des KBM

    Bei den Kantonalen Bedrohungsmanagements KBM werden folgende Themen und Phänomene erfasst:  Es werden alle Formen von zielgerichteter Gewalt erfasst, insbesondere angedrohte Gewalttaten in Zusammenhang mit a) Häuslicher Gewalt sowie Drohungen, die b) die Verwaltungs- oder c) Schulsicherheit gefährden.

    Seit 2014 ist im Baselbiet mit Markus Lüchinger eine Fachperson für den Bereich Bedrohungsmanagement fest angestellt. Ein «Kompetenzzentrum gefährliche Kundschaft» und ein Gremium aus Fachpersonen verstärkt die Abteilung. Markus Lüchinger ist Notfallpsychologe und  beim Kanton Baselland neu zuständig für die sogenannte  «gefährliche Kundschaft». Wichtig ist eine Erkenntnis, die hilft, gewisse Taten voraus zu sehen und/oder zu verhindern: Die Vorlaufzeit eines Täters dauert in der Regel einige Jahre. Manchmal sind es sogar über zehn Jahre.

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